Die Europäische Union proklamiert den 2. Dezember zum Europäischen Tag zum Gedenken an die Abschaffung des Sklavenhandels.
Europa hat zu Zeiten der Aufklärung in verschiedenen Formen von der Sklaverei profitiert, auch Länder, die nicht a priori als „Sklavenländer“ gelten, wie Deutschland, die Niederlande, Schweden, Dänemark und andere. Dies anzuerkennen und entsprechende Konsequenzen daraus zu ziehen ist das Europäische Parlament seit dem vergangenen Jahr progressiv bemüht. Im Juni 2020 verabschiedete es eine Resolution, die mit einer großen Mehrheit von 493 Ja-Stimmen, bei 104 Nein-Stimmen und 67 Enthaltungen angenommen und von fünf der sieben Fraktionen unterstützt wurde.
Das Ende der Sklaverei geht uns alle etwas an
Das Europäische Parlament fordert mit dieser Resolution die Institutionen und die Mitgliedstaaten der Europäischen Union auf, die Ungerechtigkeiten der Vergangenheit und die Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die gegen Schwarze und PoC begangen wurden, offiziell anzuerkennen. Das EU-Parlament erklärt in der Resolution zudem den Sklavenhandel zu einem Verbrechen gegen die Menschlichkeit und fordert, dass der 2. Dezember zum Europäischen Tag des Gedenkens an die Abschaffung des Sklavenhandels erklärt wird. Die Mitgliedstaaten werden außerdem ermutigt, die Geschichte der Schwarzen und PoC in die Schullehrpläne aufzunehmen.
Diese Erklärung hat nicht nur symbolischen Wert. Sie wird dazu beitragen, Pflichten nachzukommen, denen sich die Länder der Europäischen Union bisher in unzureichender Form gestellt haben. Dazu gehören Formen des Gedenkens und die Rekonstruktion historischer Darstellungen, nicht zuletzt, aber zunächst maßgeblich im Schulunterricht. Letzteres ist eine Aufgabe, die uns lange Zeit beschäftigen wird.
2001 hatte das Europäische Parlament den transatlantischen Sklavenhandel als Verbrechen gegen die Menschlichkeit anerkannt, was ein erster wichtiger Schritt gewesen ist. Im vergangenen Jahr wurde nun der 2. Dezember zum Europäischen Tag zum Gedenken an die Abschaffung des Sklavenhandels proklamiert. Auch dies ist ein weiterer wichtiger Schritt auf der langen Etappe, eine Erinnerungskultur zu etablieren.
Die Anti Racism Diversity Intergroup des Europäischen Parlaments, kurz „ARDI“, der ich angehöre, organisierte am 2. Dezember 2020 eine Videokonferenz zum Thema, an der namhafte Persönlichkeiten aus Wissenschaft und Politik teilnahmen.
In meinem Beitrag zu dieser Konferenz thematisierte ich historische deutsche Figuren des Sklavenhandels, deren Existenz häufig nicht im Bewusstsein vieler Menschen verankert ist. Die Entführung, der Kauf oder die Geiselnahme von afrikanischen Kindern, die an europäische Höfe verschleppt wurden, war die häufigste Form deutscher Sklaverei. Diese Kinder wurden “Adel-Pagen” genannt, ein Euphemismus, der uns noch heute in Form von allerlei Nippes „erhalten“ ist, von Figürchen kleiner, dunkelhäutiger und kurios verkleideter Kinder, die ein Tablett halten, einen Schirmständer darstellen oder in anderer Form „dienlich“ sind. Nicht nur viele „Mohren-Apotheken“ sind mit entsprechender „Dekoration“ versehen.
Das berühmteste Beispiel für ein nach Deutschland “importiertes” Kind, ein „Mitbringsel“, wie man auch sagte, war Anton Wilhelm Amo. Amo, bekannt als erster Philosoph afrikanischer Herkunft wurde 1707 als Vierjähriger dem Herzog von Braunschweig-Wolfenbüttel „geschenkt“. Auch eine gewisse Berühmtheit erlangte Machbuba, die Fürst Hermann von Pückler-Muskau 1837 als Vierzehnjährige in Kairo kaufte und sie als eines vieler „Lustmädchen“ oder „Lustknaben“ in die Geschichte eingehen ließ. Andere wurden als „Spielzeug” oder „kleine Ungeheuer” benutzt, um beispielsweise die Damen des österreichischen Hofes zu erschrecken, wie z.B. Rutsimo, der Prinzessin Sissi bzw. deren Sohn „gehörte”.
Im Rahmen der UN-Dekade “Menschen afrikanischer Herkunft” (2015-2024) habe ich 2016 im Rahmen der “Black History Weeks” eine Ausstellung mit 25 Bildern dieser versklavten Kinder, oft abgebildet neben ihren „Herrchen oder Frauchen“, gestaltet und in allen Gymnasien unserer Stadt Erlangen präsentiert. Die Ausstellung ist dann unter anderem in München, Bayreuth und Karlsruhe gezeigt worden. Aufgrund der Covid19-Pandemie war es nicht möglich, sie im Parlament zu zeigen, was aber hoffentlich in diesem neuen Jahr der Fall sein wird.
Es muss ein Bewusstsein dafür entstehen, dass sich Sklaverei nicht nur auf US-amerikanischen Baumwollfeldern abgespielt hat – dies Bild ist ohnehin einer Art von Romantisierung der Sklaverei geschuldet – sondern dass sie nicht zuletzt in anderen und perfiden Formen auch in Deutschland eine Rolle gespielt hat. Erst wenn dieses Bewusstsein gewachsen ist, wird man dem Thema Rassismus differenzierter entgegentreten können. Auch in Deutschland, den Niederlanden, Schweden, Dänemark… und anderen Ländern, die den 2. Dezember als Tag des Gedenkens dafür dringend brauchen.
Dr. Pierrette Herzberger-Fofana, MdEP
Co-Vorsitzende von EU- ARDI (Anti Racism and Diversity)