Desmond Tutu, die Stimme der Unterdrückten ist verstummt (1931-2021)

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Die Ikone der Menschenrechte

Der südafrikanische Erzbischof der anglikanischen Kirche, Desmond Tutu, ist am 2. Weihnachtstag im Alter von 90 Jahren verstorben. Die Welt würdigte den prominenten Geistlichen für seinen Einsatz gegen Rassismus sowie für Frieden und Freiheit für alle Menschen in Südafrika. 1984 wurde ihm der Friedensnobelpreis für seine Kampagne des gewaltlosen Widerstands gegen die Apartheid bzw. die Herrschaft der weißen Minderheit in Südafrika verliehen. Mit der Bibel in der Hand leistete die Ikone der Menschenrechte Widerstand gegen den institutionellen Rassismus und wurde zum Hauptfeind der burischen Regierung.  Der unermüdliche Menschenrechtsaktivist war bekannt für seine offenen Worte, sein ansteckendes Lachen und sein unerschütterliches Engagement für die Unterdrückten.  Er scheute sich nicht, alle Verbrechen zu kritisieren, die während der Apartheid im Namen der weißen südafrikanischen Regierungen begangen wurden, aber auch die Übergriffe, die im Namen der Schwarzen nationalen Befreiungsbewegungen begangen wurden.

Desmond Tutu prägte den Begriff „Regenbogennation“, eine schöne Metapher für ein friedliches und gleichberechtigtes Zusammenleben aller Südafrikaner*innen unabhängig von ihrer Hautfarbe, die er nach der Einführung der Demokratie und der Wahl seines Freundes Nelson Mandela zum Präsidenten der Republik Südafrika im Jahr 1994 populär machte.

Sein Engagement für Unterdrückte beschränkt sich nicht nur auf Südafrika. Erzbischof Tutu sprach sich gegen die weltweit ausbeuterische Kinderarbeit, das Schicksal der Frauen, Opfer von Gewalt, Rassismus und die Massaker an Minderheiten in Europa aus. Er war einer von 350 Botschafter*innen der Klimaschutzorganisation 350.org und sprach sich für Klimagerechtigkeit aus. In einer Petition nannte Tutu den Klimawandel eine der „größten moralischen Herausforderungen unserer Zeit“. In Artikeln, Interviews und Reden ermutigte Tutu die Verbraucher*innen, sich von Medien, Sportmannschaften und Veranstaltungen, die von Unternehmen für fossile Brennstoffe gesponsert werden, fernzuhalten und kohlenstoffarme Produkte zu kaufen.  Als Befürworter der LGBT-Rechte (Lesbian, Gay, Bisexual and Transgender) verurteilte er die Homophobie der Kirche und rief die anglikanische Kirche auf, ihre Haltung zu ändern. Er selbst erteilte einer seiner Töchter den „väterlichen Segen“ bei der Hochzeitszeremonie.

Über Jahre hinweg vermittelte Desmond Tutu in seinen Predigten „eine Botschaft des Friedens der Versöhnung und der Gewaltlosigkeit“. Sie trugen dazu bei, ein Blutbad nach den demokratischen Wahlen in Südafrika zu verhindern. Für ihn ist der Frieden zwischen den Völkern der einzig mögliche Weg, um zusammenzuleben. Seine Rolle als Vorsitzender der Wahrheits- und Versöhnungskommission zur Aufklärung der Menschenrechtsverletzungen angesichts der damaligen Rassentrennung und des staatlichen Rassismus wird für immer sein Vermächtnis in den Geschichtsbüchern bleiben. Seinen Humor, seine Lebensfreude aber auch seine Tränen vorlaufender Kamera, als er die Zeugenaussagen von Opfern der Rassentrennung hörte, bleiben unvergesslich. Denn zum ersten Mal konnten die Opfer ihre Leidensgeschichte erzählen und standen ihren Täter gegenüber.

Auch nach Mandelas Freilassung und den demokratischen Wahlen von 1994 blieb er politisch aktiv und zögerte nicht, die neuen südafrikanischen Machthaber zu kritisieren. Er war das moralische Gewissen der Nation, die mit Ironie und Witz die Stimme gegen Ungerechtigkeit erhob.

Sein Tod löste weltweit eine Schockwelle aus, wie die zahlreichen Berichte von verschiedenen Persönlichkeiten belegen. Der südafrikanische Präsident Cyrill Ramaphosa drückte „im Namen aller Südafrikaner seine tiefe Trauer“ aus und würdigte „einen unvergleichlichen Patrioten, einen Mann von außergewöhnlicher Intelligenz, der integer und unbesiegbar gegen die Kräfte der Apartheid war.“ „Er sah unser Land als einen Regenbogen, der aus dem Schatten der Apartheid kommt, vereint in seiner Diversität mit Freiheit und gleichen Rechten für alle,“ sagte der Präsident über Tutu und fügte hinzu, „er zögerte nicht, die Aufmerksamkeit auf unsere Mängel als Anführer des demokratischen Staates zu richten, und er tat das oft streng.“

Im Namen der 27 Mitgliedstaaten der Europäischen Union würdigte der Präsident des Europäischen Rates, Charles Michel, „einen Mann, der sein Leben für die Freiheit mit einem tiefen Engagement für die Menschenwürde gab. Ein Riese, der sich gegen die Apartheid gestellt hat“.

Als Mann des Glaubens war er ein Vorbild für seine Mitbrüder auf dem Kontinent, wie Kardinal Fridolin Ambongo, der die Erzdiözese Kinshasa leitet, erklärte. „Für uns war er eine große Stimme für Afrika angesichts all dessen, was er für sein Land getan hat […]. Er symbolisierte das Modell eines Mannes, das Afrika braucht. Ich habe in ihm immer ein Vorbild gesehen, auch für unsere kongolesische Gesellschaft. Es tut im Herzen weh, eine Ikone wie ihn gehen zu sehen, einen wahren Propheten für unsere Zeit, der sein ganzes Leben der Sache und der Brüderlichkeit unter den Menschen gewidmet hat.“

Die ehemalige französische Justizministerin, Christiane Taubira, erinnerte sich an ihre Begegnungen mit dem ehemaligen Vorsitzenden der Wahrheits- und Versöhnungskommission. Sie äußerte sich wie folgt: „Resoniere sein Lachen, denn ich habe auch den Klang seines Zorns gekannt und seine Tränen aus nächster Nähe gesehen. Als Studentin habe ich Desmond Tutu verehrt. Als Abgeordnete konnte ich mich bei ihm für so viel Mut bedanken. Als Ministerin habe ich ihn offiziell begrüßt. Das letzte Mal bei der Verabschiedung von Mandela. Was für ein Leben!“ 

Er inspirierte viele afrikanische Führungspersönlichkeiten wie den tschadischen Oppositionspolitiker Succès Masra, der die Partei „Les Transformateurs“ leitet. „Er inspiriert uns in vielerlei Hinsicht und ich glaube, er hinterlässt diese Vermächtnisse für junge Führungspersönlichkeiten, die wir heute zu sein versuchen. […] ich durfte Desmond Tutu 2016 kennenlernen, und zu dieser Zeit bemühte er sich, uns zu sagen, dass Afrika Staatsoberhäupter braucht, die Diener sind. Ich glaube, er hatte vollkommen Recht.“

Der ugandische Oppositionsführer Bobi Wine ist der Ansicht, dass ein „Riese gefallen“ sei, der sein Leben „in den Dienst der Menschheit gestellt“ habe. 

Der senegalesische Staatschef Macky Sall schloss sich mit den Worten an: „Ich begrüße seinen historischen Kampf gegen die Apartheid und seinen bemerkenswerten Beitrag zur nationalen Versöhnung.“

Für Barack Obama, ebenfalls Friedensnobelpreisträger, war Desmond Tutu „ein Freund, ein Mentor und ein moralisches Leuchtfeuer […] und so viele andere[…]. Als universeller Geist fand Erzbischof Tutu seine Wurzeln im Kampf für Freiheit und Gerechtigkeit in seinem eigenen Land, war aber ebenfalls besorgt über Ungerechtigkeit, wo auch immer sie sich befand.“

Schlussfolgerung

Desmond Tutu hinterlässt seine Ehefrau Leah, einen Sohn und drei Töchter. Er hatte 2014 dem Magazin „Cicero“ erklärt, dass er seine letzten 24 Stunden gerne mit seiner Familie verbringen würde – und fügte mit seinem legendären Humor hinzu:

„Ich werde ihnen sagen, dass sie auf sich selbst und aufeinander aufpassen sollen – vor allem auf ihre Mutter; wenn sie das nicht tun, werde ich zurückkommen und sie heimsuchen.“

Im Laufe der vielen Kämpfe, die der Erzbischof für Menschenwürde, Vergebung und Versöhnung führte, wurde Desmond Tutu zu einer Symbolfigur für den Kampf gegen Rassismus, gegen alle Formen der Diskriminierung und Ungerechtigkeit. Vor allem aber hielt er diese Werte auch in Zeiten hoch, in denen dies mit äußerster Gefahr für sein Leben verbunden war. Desmond Tutu hat stets das Gute im Menschen gesehen, eine Tugend, die ihm nicht nur hochanzurechnen ist, sondern seine Umwelt maßgeblich auf positive Art beeinflusst hat.

Erzbischof Tutu wuchs in einem Land auf, in welchem Gerechtigkeit, Respekt und Wertschätzung für einen Großteil der Bevölkerung nicht selbstverständlich waren und er verließ ein Land, das es sich zur Aufgabe gemacht hat, diese Werte zu etablieren.

Er hatte das Glück, Teile seines Traumes, wie zum Beispiel die offizielle Abschaffung der Apartheid, miterleben zu können. Die restlose Beseitigung der Spuren, welche die dunkle Ära der Apartheid hinterlassen hat, gilt es nun durch die jüngeren Generationen zu vollbringen. Dies würde die endgültige Erfüllung seines Traumes bedeuten.

Desmond Tutu ist nun mit seinen Vorfahren im Jenseits, möge er weiter über unsere Welt wachen.

Möge er in Frieden ruhen! Friede sei mit seiner Seele.

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