Schule ohne Rassismus – Schule mit Respekt

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Meine Rede am Ohm-Gymnasium in Erlangen

Sehr geehrte Lehrerinnen und Lehrer,

Sehr geehrte Frau Schulleiterin,

Sehr geehrte Eltern, sehr geehrter Elternbeirat,

Aber vor allem Liebe Schüler,

Ich danke Euch aus vollem Herzen. Ich danke Euch dafür, dass ihr heute Euer Bekenntnis zum Projekt „Schule Ohne Rassismus“ erneuert habt. Ich danke Euch dafür, dass ihr in der vergangenen Woche gegen Rassismus aufgestanden seid und unter dem Motto „Das Ohm ist bunt“, Flagge gezeigt habt gegen Ausgrenzung und Menschenfeindlichkeit. Und letztlich möchte ich Euch auch dafür danken, dass ihr mir Mut gebt, den Kampf gegen Rassismus weiterzuführen.

Ihr könnt euch vorstellen, als ich damals als junge Frau nach Deutschland kam, war noch vieles anders. Nicht nur dass das Internet, Smartphones und Social Medias ferne Zukunft waren, auch die Freiheiten, die viele Menschen in unserer Gesellschaft heute genießen, mussten erst erkämpft werden.

Viele von Euch wissen bestimmt, dass ich lange Jahre hier am Ohm-Gymnasium Lehrerin war. Ich war damals die erste Schwarze Frau die hier unterrichtet hat. Davor war ich die erste Schwarze Frau die an der Friedrich-Alexander-Universität promoviert hat. Später war ich dann die erste Schwarze Stadträtin Deutschlands in Erlangen und heute bin ich eine von sehr wenigen Schwarzen Personen im Europaparlament.

Die Möglichkeit all dies zu erreichen, musste ich mir erkämpfen. Zudem haben viele vor mir, Menschen die gekämpft haben, ohne dafür belohnt zu werden, meinen Weg vorbereitet. Ich möchte euch damit sagen, dass alles was ihr heute tut, wenn ihr aufsteht gegen Rassismus und Gleichgültigkeit, gegen Menschenhass und Ausgrenzung, nicht nur für euch selbst tut, sondern auch und vor allem für alle anderen.

Ich weiß es fällt schwer, sich vorzustellen wie es ist von Rassismus betroffen zu sein, wenn man das noch nie erlebt hat. Und glaubt mir, ich wünsche Euch von Herzen, das ihr es auch niemals erleben werdet. Stellt euch aber mal für einen kurzen Moment folgendes vor: Ihr seid heute alle etwa zwischen 11 und 18 Jahre alt, das heißt manche von euch werden bereits nächstes Jahr oder im Jahr danach das Studieren anfangen. Und jetzt stellt euch vor, ihr entschiedet euch für ein Auslandsemester, eine gute Wahl, will ich euch noch schnell zurufen. Die FAU beispielsweise unterhält über 60 Partnerschaften mit Universitäten im Ausland, so zum Beispiel mit der Taras-Shevchenko-Universität Kiew in der Ukraine.

Wie ihr aber bestimmt alle mitbekommen habt, herrscht dort gerade Krieg. In einem Europäischen Land, das von diesem Punkt aus exakt 844 Kilometer entfernt ist, herrscht seit etwas über zwei Wochen Krieg. Und inmitten dieses schrecklichen Szenarios gibt es junge Schwarze Studierende, die in den letzten Tagen vor dem Krieg flüchten wollten und nicht konnten, weil sie aufgrund ihrer Hautfarbe an der Grenze aufgehalten wurden, teilweise tagelang.

Ihr seht Rassismus ist nicht immer weit entfernt, aber es lohnt sich immer, dagegen anzukämpfen. Deshalb freue ich mich umso mehr, dass ihr euch entschieden habt, das Geld das ihr in der letzten Woche gesammelt habt, einem Projekt zur Evakuierung und Unterstützung von Jungen Schwarzen Menschen aus der Ukraine zukommen zu lassen. Auch hierfür möchte ich euch von Herzen Danken!

Zuletzt möchte ich Euch noch folgendes mit auf den Weg geben: Auch wenn die großen Probleme unserer Gesellschaft wie Rassismus und Diskriminierung oft so groß und unbezwingbar wirken, fängt die Lösung dieser Probleme immer im Kleinen an. Wie also bekämpft jeder und jede einzelne von uns täglich Rassismus?

Für mich beginnt das mit einer simplen Einsicht, die aber für jeden von uns von großer Tragweite ist: Wir dürfen nicht schweigen. „Ich bin doch kein Rassist“ ist keine Antwort auf Rassismus und darf es nicht sein.

Solange es Rassismus gibt in unserer Gesellschaft, in unserem Umfeld, in unserer Nachbarschaft, vor allem aber in unseren eigenen Einstellungen, Vorurteilen, Denkmustern, können wir uns nicht teilnahmslos verhalten, sondern wir entscheiden uns, jeden Tag, bewusst oder unbewusst, in unserem Handeln wie in unserem Nichthandeln – wo wir stehen, auf welcher Seite wir stehen.

Es reicht also nicht aus nur einfach „Kein Rassist“ zu sein. Nein wir müssen Anti-Rassisten sein, jeden Tag, jede Stunde, jede Minute, immer und überall. Rassismus erfordert Gegenposition, Gegenrede, Handeln, Kritik und – was immer am schwierigsten ist – Selbstkritik, Selbstüberprüfung. Antirassismus muss gelernt, geübt, vor allen Dingen aber gelebt werden.

Ihr habt hier und heute gezeigt, dass dies möglich ist und dass wir uns auf einem guten Weg befinden. Würde ich heute noch einmal nach Deutschland kommen, so würde ich sicherlich ein besseres Land vorfinden. Das haben wir mutigen Menschen wie Euch zu verdanken!

Vielen Dank!

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