Meine Rede auf der Friedensdemo für die Ukraine

Datum

26.03.2020 in Erlangen

Liebe Freundinnen und Freunde,

Liebe Erlangerinnen und Erlanger,

Liebe Menschen aus aller Welt,

der Anlass, aus dem wir uns heute hier versammelt haben, um gegen unsägliches Unrecht zu protestieren ist ein schrecklicher: Seit nunmehr vier Wochen herrscht in Europa Krieg.

In einem Land in Europa, das von Erlangen rund 850 km entfernt ist, herrscht Krieg. Es ist schrecklich, dass Menschen die noch vor kurzem, wie Sie und ich morgens aufstanden, zur Schule und in die Arbeit gingen, nun entwurzelt sind und ums Überleben kämpfen.

Mit der Selbstverständlichkeit des Friedens aufzuwachsen und zu leben ist nicht jedem Menschen auf der Welt in die Wiege gelegt. Den meisten hier Versammelten schon. Der Krieg in der Ukraine zeigt uns unsere Verwundbarkeit auf, die wir, im Umgang mit unserer Welt und unseren Mitmenschen oft übersehen. Der Krieg und seine Bilder ruft uns auf, wach zu sein und aktiv zu werden, für den Frieden.

Was einige hundert Kilometer von hier entfernt passiert, kann uns nicht egal sein und deshalb rufe ich den Ukrainerinnen und Ukrainern und allen Flüchtenden zu: wir lassen euch nicht allein!

Ich bin überwältigt davon, wie viele Menschen heute hier ihre Solidarität bekunden und zeigen, dass wir trotz aller individuellen Unterschiede miteinander für den Frieden aufstehen. Wir alle, Sie alle und alle vor Krieg Flüchtenden verdienen ausnahmslos denselben Respekt. Und trotzdem gibt es ihn, den versteckten, aber auch offenen Rassismus, der Unterschiede in der Behandlung eines Menschen behaupten möchte und der trotz des Krieges nicht schweigt.

Seit Wochen erreichen uns Bilder, die zeigen, wie Schwarze Menschen, oft Studierende, die zum Austausch in der Ukraine waren, an der Grenze aufgehalten und in ihren Versuchen zu fliehen, gehindert werden. Sehr laut muss diesbezüglich gesagt werden: Das Recht auf Flucht und einer entsprechenden willkommen heißenden Behandlung steht jedem Menschen zu, egal welcher Hautfarbe, Staatsangehörigkeit oder sexuellen Orientierung.

Glücklicherweise wurden viele Menschen hierzulande aktiv, um denjenigen bei ihrer Flucht zu helfen, denen sie erschwert wurde und wird. Vor diesem Hintergrund möchte ich ganz explizit den Schülerinnen und Schülern des Ohm-Gymnasium Erlangen danken, die letzten Freitag ihr Bekenntnis zum Projekt „Schule ohne Rassismus – Schule mit Respekt“ erneuert haben und Geld für ebenjene geflüchtete Studierende aus der Ukraine gesammelt haben, die Opfer rassistischer Gewalt an der Grenze wurden.

Wir müssen helfen, wo wir können. Es ist großartig zu sehen, wie riesig die Bereitschaft der Gesellschaft ist, Flüchtende aufzunehmen, sie zu versorgen, ihnen wenigstens für ein paar Stunden Sicherheit und Geborgenheit zu spenden. Dafür bin ich dankbar, dafür bin Euch allen dankbar!

Es muss jedoch noch mehr geschehen. Letzte Woche habe ich einen Brief an die Friedrich-Alexander-Universität Erlangen geschrieben, mit der Bitte, allen Studierenden, die in der Ukraine studiert haben und nach Erlangen kommen, zu ermöglichen, ihr Studium ohne bürokratische Hürden fortsetzen zu können.

Viele deutsche Universitäten zeigen höchstes Engagement, um aus der Ukraine geflüchteten Studierenden und Forschenden eine Weiterführung ihrer Ausbildung bzw. ihrer Arbeit zu ermöglichen. Studierenden aus Drittländern, die an ukrainischen Universitäten immatrikuliert sind, steht diese Möglichkeit nur offen, wenn sie nicht in ihre Herkunftsländer zurückkehren können. Ich möchte in den Raum stellen, dass alle diejenigen, die in der Ukraine bereits mit ihrer akademischen Ausbildung beschäftigt waren, hierzulande die Möglichkeit bekommen sollten, ihre Ausbildung weiterzuführen. Als Weltgemeinschaft muss es in unserem Interesse liegen, dass junge Menschen durch Bildung in ihre Zukunft investieren. Als Bürger*innen einer Universitätsstadt muss es in unserem Interesse liegen, diesbezüglich Verantwortung zu übernehmen und die Tore der Bildung offen zu halten für all diejenigen, die dem Krieg und seiner vermeintlichen Alternativlosigkeit entflohen sind. 

Deshalb rufe ich die Verantwortlichen erneut auf: Zeigen Sie Solidarität mit allen Geflüchteten und sorgen Sie dafür, dass alle Studierenden aus der Ukraine hier in Erlangen neue Zukunftsperspektiven und fundierte Ausbildungsmöglichkeiten finden.

Bei all den schrecklichen Bildern, die uns derzeit erreichen, bei all dem Leid von dem uns berichtet wird, gibt mir eine Sache Hoffnung: Eure Bereitschaft einzutreten für Menschen, die alles verloren haben. Menschen die vor der schrecklichsten Seite unseres Menschseins fliehen, dem Krieg.

Ich baue auf unsere uneingeschränkte und anhaltende Solidarität, auf die Bedeutsamkeit, die wir der Bildung junger Menschen zuschreiben und die Nächstenliebe zu unseren Mitmenschen.

Ich danke Euch!

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