Meine Bestrebungen im Diversitätsrat der Grünen

Datum

Mit dem diesjährig gegründeten Diversitätsrat stellt meine Partei, Bündnis90/Die Grünen – die in einem spitzzüngigen Kommentar einer Journalistin vor einigen Jahren auch als Bündnis90/Die Weißen bezeichnet wurden – den Anspruch an sich selbst, offensiv selbstkritisch mit eigenen Defiziten umzugehen. Meine Partei ist eine Partei, die sich programmatisch dem Thema Vielfalt verschrieben hat, aber feststellen musste und muss, dass sie dem Anspruch auf Diversität in den eigenen Reihen nicht ausreichend gerecht wird. Damit sich die „gleichberechtigte Teilhabe aller Menschen“, wie unser Vielfaltsstatut[1] es ausdrückt, einlösen kann, tagt seit 2021 zweimal jährlich der Diversitätsrat, um die Einhaltung und Umsetzung eben jenes Diversitätsstatuts zu kontrollieren. Als Delegierte für die Gruppe der Europaabgeordneten setze ich mich besonders für Migrant*innen in der Politik und die afrodeutsche Community ein.

Ich weise in dieser Position darauf hin, dass die Black Lives Matter-Bewegung innerhalb Deutschlands gezeigt hat, wie groß der Nachholbedarf ist, Schwarze Geschichte und Schwarze Biographien in Deutschland wahrzunehmen und einzubeziehen und wie entscheidend dabei ein reflektierter Umgang mit deutscher und europäischer Kolonialgeschichte ist. Hier auf politischer Ebene die Fäden der Black Lives Matter-Bewegung aufzugreifen und in positive Bahnen zu lenken ist das, wofür ich nun im Diversitätsrat meine Stimme erhebe. Mein Hauptanliegen ist es, kurz gefasst, „Black Studies“ an deutschen Universitäten eingeführt zu wissen. Der Bundesregierung kommt dabei die wichtige Aufgabe zu, die Länder zu animieren, entsprechende Bemühungen einzuleiten und konsequent zu begleiten.

Es ist eine unbedingte Notwendigkeit, auf akademischer Ebene anzusetzen, wenn man den Ansatz verfolgt, Dekolonialisierungsprozesse auf bundesdeutscher Ebene anzugehen. Den je eigenen Blick und die je eigenen Strukturen hinsichtlich Weißer Privilegien kritisch zu überprüfen ist die Grundlage dafür, Rassismus wirklich an der Wurzel zu packen und Menschen von individuellen wie auch gruppenbezogenen Demütigungen zu befreien. Ich zitiere an dieser Stelle aus dem offenen Beschwerdebrief[2] der Black Student Union der Humboldt-Universität Berlin:

Die Erfahrungen der Studierenden am Institut für Asien- und Afrikawissenschaften zeigen eindeutig, dass jenes weder den Ansprüchen einer „Exzellenzuniversität” noch dem eigenen „Leitbild der Humboldt-Universität zu Berlin” entspricht. Insbesondere der Fachbereich Afrikawissenschaften entzieht sich, durch das Ignorieren der geschichtlichen Verbundenheit zwischen (deutschem) Kolonialismus, Imperialismus, Rassismus und der Wissenschaft, sowie durch das Verschweigen der daraus folgenden heutigen Machtkonstellationen und die fehlende Reflexion über die eigene Position darin, seiner gesellschaftlichen Verantwortung. Das Resultat dieses fundamentalen Problems ist die stetige Reproduktion von Rassismen und Diskriminierungen am Institut und einer Lehre, die zu dem hier aufgeführten Unmut der Studierenden führt und dem Ansehen der Humboldt-Universität zu Berlin als deutsche Exzellenzuniversität schadet.

Es gibt derzeit eine Generation deutscher Politiker*innen, Aktivist*innen und Student*innen, die sehr präsent und frisch für ihre Rechte einsteht. Auch zu meiner Zeit als Studierende in Deutschland war ich von Menschen umgeben, die hinsichtlich Diversität – damals hat man noch nicht mit diesem Begriff gearbeitet, sondern mit dem Begriff ‚Interkulturalität‘ – etwas voranbringen wollten. Sie alle bzw. die meisten von ihnen, sind irgendwann gegangen – amerikanische und kanadische Universitäten konnten meinen damaligen Kolleg*innen für ihre Anliegen weitaus mehr bieten als deutsche Universitäten. Daran hat sich wenig geändert. Der paternalistische und auch immer noch von Exotismus geleitete Anstrich, den Institute an deutschen Universitäten auch in diesem Jahrtausend noch nicht ausreichend loszuwerden versucht haben, gibt einem dringend notwendigen entkolonialisierten Blick auf Geschichte und Gesellschaft keinen Vorschub. Wir müssen und wir können dies ändern.

Die Einführung von, von deutscher Geschichte geprägten Black Studies ist der zentrale Ansatzpunkt dafür. Im Diversitätsrat kann und werde ich dieses Anliegen konsequent zur Sprache bringen und einfordern. Black Studies Matter!


[1]     https://cms.gruene.de/uploads/documents/20210122_Vielfaltsstatut.pdf

[2]     https://bsuhu.wordpress.com/2021/07/16/offener-beschwerdebrief/

Weitere
Artikel

Schneller informiert

Abonnieren Sie meinen Newsletter