Lasst „die Männer“ raus! Ein Statement zum Internationalen Frauentag

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Seit über dreißig Jahren engagiere ich mich für Frauenrechte. Nun stehe ich vor den Bildern und Nachrichten dieser unfassbaren Zeit und ihrer Ukraine und frage mich: Wer sorgt sich hier um die Männer? Macht der Ruf nach Gleichberechtigung halt, wenn es um Krieg geht? Werden Rollenklischees innerhalb von vierzehn Tagen wiederaufbereitet, benutzt und hochgehalten – und keiner merkt es?

Seit die Ukraine den Kriegszustand ausgerufen hat, dürfen 18- bis 60-jährige ukrainische Männer das Land nicht mehr verlassen, Frauen, prioritär weiße Frauen, schon. Der kämpfende Mann, der sein Territorium verteidigt, wird zum Helden stilisiert. Anlässlich des Internationalen Frauentages am 8. März 2022 möchte ich dazu aufrufen, darüber nachzudenken, ob und wie ein*e jede*r von uns mit diesen Umständen im Rahmen unseres Engagements für Gleichberechtigung umgeht.

Was würde der Vorschlag auslösen, dass alle die, gleich welchen Geschlechts, in einem Kriegsland bleiben könnten, die „kampfbereit“ sind? Dass wiederum alle die, die den bewaffneten Kampf ablehnen, auch nicht dazu gezwungen werden können? Dass am Ende die Waffen abzulegen, die einzige tragfähige Möglichkeit bleibt? Ich möchte mir hier und jetzt keine Antworten auf diese Fragestellungen anmaßen. Aber mir erscheint es aktuell unfassbar wichtig, das Bewusstsein für diese Fragen zu schärfen, denn sie betreffen den Kern unseres gesellschaftlichen Zusammenlebens.

Der Ukraine-Krieg zeigt uns auf erschreckende Weise, die tief verwurzelten Rassismen, die in osteuropäischen Ländern nun sehr konkret auf Denk- und Handlungsweisen an Grenzübergängen und darüber hinaus, nicht zuletzt auch im deutschen Umgang mit Flüchtenden ihre Auswirkungen zeigen. Dies wird auf medialer Ebene glücklicherweise inzwischen wenigstens ansatzweise besprochen und reflektiert.

Der Krieg zeigt aber auch Mechanismen auf, die Geschlechtergerechtigkeit plötzlich wieder schier unerreichbar erscheinen lässt. Ich möchte es absichtlich sehr plakativ formulieren: Wenn Frauen ein Kriegsland verlassen, um für die Kinder da zu sein und Männer in den Kampf ziehen, um „wie ein Mann“ fürs Vaterland zu kämpfen sehe ich Zuschreibungen vor mir, über die ich uns allen wünsche, längst hinausgewachsen zu sein. Denn eine europäische Gemeinschaft, die Frauen auf diese Weise ein Naturell zuweist, dass auf Schutzbedürftigkeit und Reproduktion ausgelegt ist, Männern wiederum naturgegebene Stärke und Unbedeutsamkeit in fürsorgenden Zusammenhängen zuweist, kann in puncto Gleichberechtigung nur verlieren.

Legt die Waffen nieder! Dies ist unabhängig von Mann oder Frau oder Schwarz oder Weiß der derzeit wichtigste Appell. Der andere ist: Legt die Klischees nieder! Erst dort, wo Menschen selbst entscheiden können und dürfen, an welcher Stelle sie für ihre Familie, ihre Gesellschaft und für sich selbst sichtbar werden oder eben nicht und mit entsprechender Gleichwertigkeit behandelt und angesehen werden, lässt sich von Gleichberechtigung und Geschlechtergerechtigkeit sprechen.

So denke ich an diesem Internationalen Frauentag, bei allem Engagement für Mädchen und Frauen auch an alle anderen Geschlechter dieser Welt, nicht zuletzt an die Männer. Break the Bias! Ist das Motto des diesjährigen Frauentages. Dies kann ich nur unterschreiben!

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